23. Die Rolle des Priesters und die Rolle der Gläubigen

Einführung

 

Die Rolle des Priesters

Wir gehen aus von der paradoxen Formulierung:

Nur ein Priester darf die Wandlung vollziehen. - Kein Priester kann die Wandlung vollziehen.

Dieser scheinbare Widerspruch soll zum Ausdruck bringen, dass die Vollmacht zur Feier der Eucharistie an die Priesterweihe gebunden ist, dass aber das Wunder der Wandlung nicht von einem Menschen, sondern nur von Gott selbst bewirkt werden kann.

Zur ersten Aussage: Nur ein Priester darf die Wandlung vollziehen.

Die Priesterweihe vollzieht der Bischof durch Handauflegung.

„Die Handauflegung ist der treffende Ausdruck dafür, dass eine Kraft auf den Empfänger der Handauflegung übergeleitet werden soll. Das kann die Bedeutung haben von Übertragung einer Amtsgewalt. Es kann auch die Bedeutung haben, dass eine heilende oder heiligende Wirkung auf den Empfänger übergehen soll.“ (Q 1)

Die wesentlichen Elemente der Priesterweihe werden in dem unten genannten Video erklärt.

Zur zweiten Aussage: Kein Priester kann die Wandlung vollziehen.

Im Gegensatz zu den Beispielen für Vollmacht aus dem rein menschlichen Bereich kann der Priester die Wandlung nur vermitteln. Der eigentlich Wandelnde ist Gott. Deshalb bittet der Priester vor der Wandlung, der Vater möge den Hl. Geist senden, um die Gaben zu wandeln. Dieses Gebet heißt (Wandlungs-)Epiklese.

Wenn man die zentrale Bedeutung dieses Gebetes in Betracht zieht, ist es eigentlich schade, dass die Messdiener erst nach der Epiklese schellen, denn mit ihr beginnt ja die eigentliche Wandlung. Ja, vielleicht darf man sogar sagen: Mit ihr vollzieht sich die eigentliche Wandlung.

 

Die Rolle der Gläubigen

Meine Schwester hat es noch erlebt: In einem kleinen Dorf im Mittelgebirge nahm sie in den fünfziger Jahren an der sonntäglichen Messfeier teil. Während der ganzen Zeit wurde laut der Rosenkranz gebetet, kurz vor der Wandlung drehte der Priester sich um, klatschte in die Hände und rief: „Wandlung!“ Für die Zeit der Wandlung war es dann still, dann wurde der Rosenkranz fortgesetzt bis zum Schluss der Hl. Messe.

Dies ist ein besonders krasses Beispiel. Nicht wenige Katholiken haben damals den Fortgang der Hl. Messe mit Hilfe des „Schott“ verfolgt, in dem – links lateinisch, rechts deutsch – die Messtexte abgedruckt waren. Das war eine sehr intensive persönliche Beteiligung am Heiligen Geschehen. Die meisten allerdings folgten der Messe ohne „Schott“. Ihre Beteiligung stützte sich in erster Linie auf die Lieder. Der Sinn der gleichbleibenden Teile der Messe war ihnen in etwa bekannt.

Beide Erfahrungen erklären sich aus der damaligen Messtheologie:

„Die Grundform der Messe vor der Erneuerung durch das 2. Vatikanum war die Privatmesse mit zwei Hauptakteuren, dem Priester und dem ihm antwortenden Ministranten... Die Gemeinde wird (sc. im Messbuch von 1570) nirgendwo erwähnt, so dass es von daher betrachtet konsequent ist, dass auch die Austeilung der heiligen Kommunion überhaupt nicht in der Messordnung vorkommt. ...Die meisten Teilnehmer wurden behandelt wie „anwesend Abwesende“ (so der berühmte Liturgiewissenschaftler Josef Andreas Jungmann).“ (Q 2)

„Es waren fast zwei parallele Liturgien: der Priester – mit den Messdienern – , der die Messe nach dem Messbuch feierte, und die Laien, die in der Messe gemeinsam aus ihren Gebetbüchern beteten und im wesentlichen wussten, was am Altar geschah. Doch nun (sc.in der Liturgischen Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg) war gerade die Schönheit, die Tiefe, der historische, menschliche, spirituelle Reichtum des Messbuchs wieder entdeckt worden, sowie die Notwendigkeit, dass nicht nur ein Vertreter des Volkes, ein kleiner Messdiener, sagen sollte: „Et cum spiritu tuo“ etc., sondern dass es ein wirklicher Dialog zwischen dem Priester und dem Gottesvolk sein sollte; dass die Liturgie des Altares und die Liturgie des Volkes wirklich eine einzige Liturgie würden, eine aktive Teilnahme; dass der Reichtum zum Volk gelangen sollte; und so wurde die Liturgie neu entdeckt, erneuert.“ (Q 3)

Machen wir es konkret: Wo in der neuen Liturgie wird dieser Dialogcharakter deutlich?

Drei Beispiele, weitere siehe Anlage 23.a:

  • Das Suscipiat
    Der Priester spricht: „Betet, Brüder und Schwestern, dass mein und euer Opfer Gott, dem allmächtigen Vater gefalle.“ Die Gemeinde antwortet: „Der Herr nehme das Opfer an aus deinen Händen zum Lob und Ruhm seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze heilige Kirche.“
  • Im Einleitungsdialog zur Präfation sagt der Priester: „Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott. Die Gemeinde antwortet: „Das ist würdig und recht.“
    Dieser Dialog „hat ein ehrwürdiges Alter... Er kann bis auf die jüdische Gottesdienstordnung zurückgeführt werden, und die Antwort...drückte auch schon dort die Zustimmung der versammelten Gemeinde zum Lobpreis des Vorstehers aus.“ (Q 4)
  • Am Ende des Hochgebets spricht der Priester: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Herrlichkeit, jetzt und in Ewigkeit.“ „Der Part, welcher der Gemeinde gehört, ist das „Amen“, die sich damit das vom Priester vorgebetete Hochgebet zu eigen macht, sozusagen unterschreibt, wie der heilige Augustinus sagt: `Zu diesem sagt ihr: „Amen“. „Amen sagen“ heißt unterschreiben.´“ Dieses Amen ist also von nicht geringer Bedeutung und sollte besonders gestaltet werden, vielleicht auch durch dreimalige Wiederholung, wie es in der französischen Kirche vielerorts der Fall. ist.“ (Q 5)

Mit der Präfation beginnt und mit dem „Amen“ endet das Hochgebet, „dessen Vollzug eigentlich allein dem Priester und den priesterlichen Konzelebranten zukommt.“ (Q 6)

Umso bedeutsamer ist hier der Anteil der Gläubigen.

Die Bedeutung der Mitwirkung der Gemeinde kommt aber auch zum Ausdruck in den Gebeten, in denen der Priester in der Wir-Form spricht und sich so in die Schar der Gläubigen einreiht:

  • beim Schuldbekenntnis: Brüder und Schwestern, damit wir die heiligen Geheimnisse in rechter Weise feiern können, wollen wir bekennen, dass wir gesündigt haben. Wir sprechen das Schuldbekenntnis... Der allmächtige Gott erbarme sich unser. Er lasse uns die Sünden nach und führe uns zum ewigen Leben.
  • Das Sanctus (Heilig, heilig, heilig) sprechen Priester und Gemeinde zusammen.
  • in der Anamnese (also ebenfalls im Hochgebet):
    „Darum. gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung deines Sohnes...“
  • Auch  das Vaterunser, das Tischgebet vor der Heiligen Kommunion, sprechen Priester und Gläubige zusammen: „Lasset uns beten, wie der Herr uns zu beten gelehrt hat...“

Wir gehen in diesem Kurs ausführlich auf die Beteiligung der Gläubigen ein aus dem Wunsch, dass unsere Kinder dem Gottesdienst nicht wie Zuschauer folgen, sondern ihn wirklich mitvollziehen. Der Mitvollzug geschieht aber zuallererst im Dialog mit dem Priester.

 

Wir gehen in drei Schritten vor:

  1. Nur ein Priester darf die Wandlung vollziehen.
  2. Kein Priester kann die Wandlung vollziehen.
  3. Die Gläubigen sind keine Zuschauer. Nur mit ihrer Teilnahme ist die Eucharistiefeier sinnvoll und möglich.

 

Quellen

(Q 1) J.A. Jungmann, a.a.O. S. 62

(Q 2) Michael Kunzler I,S. 29f

(Q 3) Aus einer Rede Papst Benedikts XVI. an die Priester von Rom, in der er aus dem Stegreif über das 2. Vaticanum berichtete. „Die Tagespost“ vom 16.02.2013, S. 7ff

(Q 4) M. Kunzler I, S. 195

(Q 5) M. Kunzler I, S. 210

(Q 6) M. Kunzler I, S. 210