5. Portal / Tabernakel / Ewiges Licht - Realpräsenz

Einführung

 

Eine Besinnung zum Thema „Portal“ kann die Eigenart des gottesdienstlichen Raumes zum Bewusstsein bringen in einer Zeit, in der auch vielen Erwachsenen die Sensibilität für den sakralen Raum abhanden gekommen ist, wie z.B. das Verhalten von Touristen beim Besuch von Kirchen oder Konzertbesuchern zeigt. Bei Schulmessen ähnelt der Geräuschpegel vor Beginn der Eucharistiefeier oft dem eines Hauptbahnhofs.

Die folgenden Überlegungen betrachten den kirchlichen Raum als Sakralraum (zum Meinungsstreit und zur Begründung siehe A 1 und Q 3). Die Romanik kennzeichnet den Sakralraum durch das Halbrund des Bogens über dem Eingangsportal. Es symbolisiert „den Himmel, der sich über der Erde wölbt... Hier, an der geöffneten oder geschlossenen Tür des Gotteshauses, ist die Grenze, die Jenseitiges vom Diesseitigen trennt.“ (Q 2)

Ein schwaches Abbild des romanischen Portals finden wir in neueren Kirchen bisweilen in der Vorhalle (nicht zu verwechseln mit dem Windfang). (A 3)

Die Vorhalle stimmt die Gläubigen ein in die Atmosphäre des sakralen Raumes und fordert dazu auf, die Stimme zu dämpfen und sein Verhalten auf den Eintritt ins Heiligtum auszurichten.

Im Familiengespräch kann man den besonderen Charakter der Kirche als Heiligtum bewusst machen. Rennen, lautes Reden, Kaugummi und Eis sind schon in säkularen Räumen (Theater, Konzertsaal) nicht angemessen, um wie viel weniger im sakralen Raum der Kirche.

Da aber unser Kind Orte wie Theater und Konzertsaal noch nicht kennt, gehen die Fragen aus von der Einladung zum Spielen bei Freunden. Dieser Ansatz ist möglich, weil die Einladung auch eines der Wesenselemente des Portals ist, vgl. A 2.

Was aber macht den Raum der katholischen Kirche zu einem Sakralraum? Worin liegt das „Mehr“ gegenüber der Auffassung vom reinen Versammlungsraum, wie er im reformatorischen Verständnis vorherrscht?

 

Der Tabernakel

Tabernaculum (lat.) bedeutet: Zelt und steht in der Tradition des Bundeszeltes der Israeliten auf dem Wüstenzug (Ex 25,10ff), in dem die Bundeslade mit den Gesetzestafeln aufbewahrt wurde.

In der katholischen Kirche ist der Tabernakel der Ort, „an dem der Herr in seiner verwandelten Gestalt da ist und bleibt“... „Wo das mit allen Fasern des Herzens, des Verstandes und der Sinne erfahren wird, ist die Konsequenz unausweichlich: Dann müssen wir dieser Gegenwart ihren gebührenden Raum schaffen...

Im Tabernakel ist das nun ganz verwirklicht, wofür ehedem die Bundeslade stand. Er ist der Ort des `Allerheiligsten´. Er ist das Zelt Gottes, der Thron, da er unter uns ist, seine Gegenwart (Schekhina) nun wirklich unter uns wohnt...“ (Q 1)

Die letzten Worte des Zitats spielen darauf an, dass der Kirchenraum seit alter Zeit verstanden wurde als Abbild des Neuen Jerusalem, in dem Gott unter den Menschen wohnt:

Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und Er, Gott, wird bei ihnen sein. (Offb 21,2f)

Diese Symbolik wird in manchen Kirchen durch den Radleuchter eindrucksvoll dargestellt, z.B. im Aachener Dom (Barbarossaleuchter): Die Aufsätze veranschaulichen die 12 Tore des Himmlischen Jerusalem.

 

Unserem Kind können wir die Gegenwart des Herrn am sinnenfälligsten im Blick auf

Das Ewige Licht

veranschaulichen. Es zeigt ja den Ort des Tabernakels an, in dem die Kommunion für die Kranken aufbewahrt wird.

Wir Christen haben das Ewige Licht aus der jüdischen Synagoge übernommen. Vor dem Thoraschrein mit den Bibelrollen brennt in jeder Synagoge ein rotes Licht, das die Juden NER TAMID (Ewiges Licht) nennen. Es verweist auf die Gegenwart Gottes in seinem Wort.

Die Kniebeuge in Richtung Tabernakel ist heute auch bei Katholiken nicht mehr selbstverständlich. Dabei ist gerade diese Geste für Kinder ein eindrucksvolleres Glaubenszeugnis als alle schönen Worte.

Weil das Geheimnis der Gegenwart des Herrn sich nur Gläubigen erschließt, ist es gut, dass in den großen Kathedralen der Leib Christi in der Sakramentskapelle aufbewahrt wird, wo die Gläubigen ungestört vom touristischen Betrieb vor dem Allerheiligsten beten können.

Zeichen der Ehrfurcht in anderen Religionen sind z.B. das Tragen der Kippa in der Synagoge und das Ablegen der Schuhe in der Moschee. Zwar gilt der islamische Gebetsraum nicht als sakraler Ort, aber es geht immerhin um die kultische Reinheit des Bodens als Voraussetzung für ein würdiges Gebet. Eigenartig ist, dass nicht wenige Christen dazu neigen, die Vorschriften anderer Religionen mehr zu respektieren als die der eigenen Religion.

 

Anmerkungen

 (A 1) In dem Meinungsstreit, ob es „in der Welt des christlichen Glaubens noch  ausgesonderte heilige Räume und Zeiten geben“ darf, folge ich der Position von Josef Ratzinger, der diese Frage mit Ja beantwortet und fundiert begründet. (Q 5)

Der konsequenteste architektonische Ausdruck des säkularen Raumes waren die Mehrzweckraum-Kirchen der 70er Jahre, die sich aber nicht durchgesetzt haben. Ein Beispiel für unterschiedliche Konzeptionen des Kirchenraums bietet die Erklärung des Architekten der St. Hubertuskirche in Dresden-Weißer Hirsch. (Q 3)

(A 2) Ingeborg Tetzlaff nennt als Aufgaben der Schwelle: abwehrende Funktion gegen Unwürdige und böswillig Eindringende. So finden wir bei romanischen Kirchen häufig Löwenfiguren vor dem Eingang. In Krefeld  ist am Türsturz des Nordportals der Dionysius-Kirche die Hand Gottes abgebildet, flankiert von zwei Engeln. Sie mahnt den Besucher, das Heiligtum zu respektieren.

  •  Einladung: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Mt 11,28)
  • Verheißung des Ewigen Heils bzw. Warnung vor dem Verlust der Ewigen Seligkeit, weshalb das Motiv des Jüngsten Gerichts an mittelalterlichen Portalen ein zentrales Thema ist. (Q 2, 11f)

 (A 3) In Krefeld haben z.B. die Dionysiuskirche und die Thomas- Morus-Kirche eine ausgeprägte Vorhalle.

 

Quellen

(Q 1) Josef Ratzinger, Der Geist der Liturgie, Herder, 2. Auflage 2007, S. 78

(Q 2) Ingeborg Tetzlaff, Romanische Portale in Frankreich, dumont 1977, S. 10

(Q 3) Bistum Dresden-Meissen

(Q 5) siehe Q 1., S. 47ff