22. Leib Christi – wie kann das sein?

Einführung

 

  1. Die Frage der Wesensverwandlung (Transsubstantiation) trennt die christlichen Konfessionen:
    • Nach Martin Luther ist Jesus Christus zuallererst in der Gemeinde gegenwärtig, für den Augenblick des Empfangs auch im Brot.
    • Für Calvin und Zwingli (streng reformierte Richtung) ist Christus nicht im Brot gegenwärtig, es erinnert nur an ihn.
    • Nach katholischer Lehre verbindet sich Jesus Christus in der Wandlung ganz und gar mit der Materie des Brotes, auch nach dem Ende der Eucharistiefeier bleibt er im Brot gegenwärtig (Tabernakel, Krankenkommunion).
  2. Heute ist häufig bei Kindern ein erschreckender Mangel an Ehrfurcht zu beobachten (z.B. in Schulmessen). Über die Gründe könnte man lange diskutieren, sie sind vielfältig und gehen nur zum kleinsten Teil zu Lasten der Kinder.
    Das Anliegen dieses Kapitels ist es jedenfalls, den Kindern die Ehrfurcht vor der Eucharistie zu vermitteln, dem größten und schönsten Glaubensgeheimnis, das wir besitzen. (A 1)
    Im Hintergrund steht das ernste Wort des Apostels Paulus:
    Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu. (1 Kor 11,28f)

    Das genannte Ziel ist nicht leicht zu erreichen. Wir versuchen es auf verschiedenen Wegen.

 

Vorgehen

 

  1. Zunächst sprechen wir über die Oblaten (A 2) und erklären, dass Jesus Christus ganz gewöhnliches Brot in den Dienst seiner Gegenwart gestellt hat. (A 3)

    Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:

    • Wir können uns darauf beschränken, eine Oblate zu beschreiben und ihre Verwendung zu erklären (z.B. Weihnachtsplätzchen backen).
    • Wenn wir es wagen wollen, besorgen wir Oblaten und stellen sie zum Essen bereit.

      Das Anliegen dieser zweiten Möglichkeit ist, der „Enttäuschung“ zuvorzukommen, die sich einstellen kann, wenn die Kommunion zum ersten Mal empfangen wird. So sprechen manche Kinder von Esspapier oder drücken sich noch unpassender aus („Das schmeckt ja wie Pappe!“). Um solchen unwürdigen Äußerungen zuvorzukommen, kann man die „Geschmacksfrage“ vorher klären und damit entschärfen.

      Man kann dieses Vorgehen aber auch für problematisch halten. Jede Familie muss abwägen, welche Möglichkeit ihrem Kind mehr hilft, die Ehrfurcht vor dem Altarssakrament zu bestärken.

  2. Die Wandlung wird bewirkt durch Worte des Gebetes und des Lobpreises.

    Schon im natürlichen Bereich gilt: Worte können die Wirklichkeit verändern, wenn ein Bevollmächtigter sie spricht. (Q 1) Dies machen wir deutlich anhand von Beispielen, bei denen unser Kind entscheidet, ob es sich um wirkmächtige Worte handelt oder nicht. Dabei führen wir den Begriff der Vollmacht ein, da er für den Anspruch Jesu eine entscheidende Rolle spielt.

  3. Aber selbst wenn man die Wirkmächtigkeit des Wortes akzeptiert, bleibt der Einwand:

    Man sieht doch nach der Wandlung keinerlei Veränderung an der Oblate. Wie kann ich glauben, dass sie jetzt der Leib Christi ist?

    Das kleine Rollenspiel von der Rose soll zeigen: Es ist richtig, die physikalische und chemische Substanz (A 4) der Hostie verändert sich nicht. Aber schon im rein natürlichen Bereich gilt:

    Das Wichtigste kann man oft nicht sehen: Die Rose verändert durch den Kauf ihr Äußeres nicht, aber ihr Wesen hat sich gewandelt: Sie ist nun Trägerin der Liebe des Kindes. Hier liegt die Analogie zur konsekrierten Hostie.

  4. Nicht wenige Familien verbringen mit ihren Kindern die Ferien im Ausland und erleben dort, vor allem in den südlichen Ländern, aber auch in Polen, die Mundkommunion. So erklärt sich der Vorschlag,  zum Abschluss ein Video zu zeigen mit dem Titel: Papst Benedikt verteilt die Eucharistie und anschließend über die unterschiedliche Praxis zu diskutieren. (Von unserem neuen Papst Franziskus habe ich noch kein entsprechendes Video gefunden.)

    Das Video ist im Jahr 2011 am Fest Erscheinung des Herrn im Petersdom aufgenommen und zeigt den Papst und weitere Priester bei der Austeilung der Mundkommunion.

    Die Gläubigen empfangen die Eucharistie kniend an der Kommunionbank, die wir in Deutschland nicht mehr kennen.

    Der Kommentator erklärt das Evangelium des Tages und weist darauf hin, dass die Orthodoxe Kirche am 6./7. Januar ihr Weihnachtsfest feiert. Aus Anlass des Überfalls muslimischer Extremisten auf eine koptische Kirche in Alexandria am Neujahrstag 2011 geht er auf die Lage der verfolgten Kopten in Ägypten ein, die selbst in Deutschland ihren Weihnachtsgottesdienst nur unter Polizeischutz abhalten können.

    Die Dauer beträgt 11.47 Minuten, man kann sich aber auf fünf Minuten beschränken.

  5. Es gibt verschiedene Bezeichnungen für die Kommunion. Eingebürgert hat sich „Das heilige Brot“. Wenn ich meine persönliche Meinung sagen darf: Mir scheint, dass diese Bezeichnung für die notwendige Ehrfurcht nicht sehr förderlich ist.

    Da Jesus selbst gesagt hat: Nehmet und esset: Das ist mein Leib, wäre es naheliegender, „Leib Christi“ zu sagen. Das sagt auch der Priester, wenn er uns die Kommunion in die Hand legt. Michael Kunzler weist darauf hin, dass es sich bei diesem Wort des Priesters und der Antwort der Gläubigen „um ein kurzes, aber höchst intensives Frage- und Antwortspiel handelt: „Glaubst du, lieber Bruder / liebe Schwester, dass dieses unscheinbare Stück Brot, das ich in Händen halte, der Leib Christi, des wahren Gottes und Menschen ist, der sich dir hingibt zum ewigen Leben?“ – „Amen, so ist es, in diesem Glauben bin ich fest gegründet.“ ... Dieser Glaube ist die erste und wichtigste Bedingung für einen würdigen Kommunionempfang.“ (Q 3)

  6. Das Folgende mag für manche Ohren unmodern und seltsam klingen, es ist auch eine sehr persönliche Ansicht, aber ich möchte sie wenigstens zur Diskussion stellen.

    Früher hat man im Kommunionunterricht gelernt, man solle die Hostie nicht kauen und zerbeißen. Unerleuchtete Geister haben das damit begründet, man dürfe Jesus nicht zerbeißen. Das ist natürlich völliger Unsinn und die Folge eines krassen und verfehlten sakramententheologischen Naturalismus. Als man das eucharistische Brot noch vom normalen Alltagsbrot nahm, war es selbstverständlich, dass man es kaute.

    Nach der Umstellung auf die Oblate besteht aber die Möglichkeit, die Hostie auf der Zunge zergehen zu lassen. Darin liegt eine Chance: Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut, mit fünf Sinnen ausgestattet. Die Gegenwart Christi im Sakrament will auch erspürt werden. Solange die Hostie fühlbar ist, spüre ich diese Gegenwart. Das kann eine Hilfe für das Zwiegespräch mit dem hohen Gast Jesus Christus sein.

    Zudem kann diese Entscheidung eine Hilfe sein, die Ehrfurcht vor der Eucharistie zu bestärken.

 

Anmerkungen

(A 1) Vgl. den Untertitel des Buches von M. Kunzler: „Eine Einführung in das Wertvollste der katholischen Christen“

(A 2) Das lateinische Wort „Oblate“ bedeutet eigentlich „Geopfertes“, stammt also aus der religiösen Sprache und ist dann von der Konsumwelt in säkularisiertem Sinn übernommen worden. Das lateinische Wort „Hostie“ bedeutet im altrömischen Kult „Opfertier“, „Opfer“.

(A 3) Es ist so gut wie sicher, dass Jesus im Abendmahlssaal normales, gesäuertes Brot genommen hat. Das bezeugt die lückenlose Tradition der Ostkirche, die immer nur gesäuertes Brot verwendet hat. Sie folgt damit dem Johannes-Evangelium, nach dem das Letzte Mahl kein Passah-, sondern ein Toda-Mahl war, das einzige jüdische Mahlopfer, das mit gesäuertem Brot gefeiert wurde. (Q 2)

Die Verwendung von ungesäuertem Brot (Hostie) ist auch in der Westkirche nicht ursprünglich, es hat frühestens im 9. Jahrhundert begonnen.

Der Übergang zum ungesäuerten Brot hatte zwei Gründe:

  1. Die verstärkte Eucharistiefrömmigkeit führte zu der Sorge, es könnten Partikel des konsekrierten Brotes zu Boden fallen und zertreten werden. Das war bei der Oblate viel weniger zu befürchten.
  2. Hostien lassen sich im Tabernakel für die Krankenkommunion erheblich länger aufbewahren als gesäuertes Brot.

(A 4) Ich verwende hier den Begriff „Substanz“ bewusst im heutigen naturwissenschaftlichen Sinn. In der katholischen Transsubstantionslehre ist er im Sinn der aristotelischen Philosophie verwendet, da bezeichnet er das Wesen einer Sache.

 

Quellen

(Q 1) Idee und Beispiele verdanke ich der Erstkommunion-Mappe von Ulrich Günzel, Ihr seid meine Freunde, Patmos 2011

  • Werkmappe ISBN 978-3-8436-0106-1 / Kapitel 12, Arbeitsblatt 4
  • Handreichung 978-3-8436-0107-8 / S. 136

(Q 2) Hartmut Gese, Zur biblischen Theologie – Alttestamentliche Vorträge, Chr. Kaiser, Verlag München 1977, S. 107ff

(Q 3) M. Kunzler I, S. 240