18. - 20. Der Opfercharakter der Eucharistiefeier
Vorwort
Mit der Gabenbereitung nähern wir uns dem zentralen Geheimnis der Eucharistie. Es ist nicht möglich, dieses Glaubensgeheimnis zu erklären. Möglich sind nur Annäherungen. Zudem muss die Darlegung Rücksicht nehmen auf die Fassungskraft eines Kindes.
Die folgenden Kapitel sind eng an die entsprechenden Gotteslob-Lieder angelehnt. Das hat zunächst einen ganz praktischen Grund: Sie werden während der Gabenbereitung häufig gesungen. Wenn unser Kind ein wenig mit ihnen vertraut wird, bekommt es vielleicht einen Zugang zu den Texten, die – und das ist der zweite Grund – in großartiger Schlichtheit und Tiefe die gesamte Messtheologie enthalten.
1. „Gabenbereitung“ oder „Opferung“?
Die Gabenbereitung hieß früher „Opferung“. 1968 im Zuge der Liturgiereform wurde sie in „Gabenbereitung“ umbenannt.
Traditionalisten machen deshalb der Kirche den schwerwiegenden Vorwurf, sie habe den Opfercharakter und damit den Wesenskern der Hl. Messe verraten. Dieser Vorwurf besteht zu Unrecht. Was war das Anliegen der Liturgiereform?
Man wollte das Missverständnis ausschließen, als sei die Hl. Messe unser Opfer, das Opfer der Menschen. Mit der Umbenennung verhält es sich also gerade umgekehrt: Sie erfolgte, um die Bedeutung des Opfers Christi hervorzuheben.
Dass der Opfercharakter nicht aufgegeben wurde, davon zeugt schon die Häufigkeit, mit welcher der Begriff „Opfer“ in den Texten der neuen Liturgie vorkommt. Und sie entspricht der Grundordnung des Römischen Messbuchs von 1970, in der es heißt: „Durch die Worte und Handlungen Christi wird das Opfer vollzogen, das Christus selbst beim Letzten Abendmahl eingesetzt hat...“ (Nr. 79d)
Auf der anderen Seite ist es ein Faktum, dass der Opfercharakter der Hl. Messe heute den meisten Gläubigen nicht mehr bewusst ist. M. Kunzler schreibt:
„Für viele katholische Christen, auch für die praktizierenden, spielt der Gedanke, dass die hl. Messe auch eine Opferhandlung ist, fast keine Rolle mehr. Es ist zu befürchten, dass die nachwachsenden Generationen außer den kurzen Worten und Erwähnungen des Opfers innerhalb des Eucharistischen Hochgebets überhaupt nichts mehr vom Messopfer mitbekommen. Ein wesentlicher Inhalt katholischer Eucharistielehre droht alsbald in völlige Vergessenheit zu geraten.“ (Q 1)
2. Vermittlung
Aus diesem Grund wird in den folgenden Kapiteln versucht, den Opfercharakter der Hl. Messe unserem Kind nahe zu bringen. Aber soll man wirklich 9-Jährige schon mit dieser Thematik konfrontieren? Ist das nicht eine unverantwortliche Überforderung?
Wir versuchen es dennoch, und zwar im Anschluss an das GL-Lied 186 (490):
Wir legen unsre Gaben nieder als Lob und Dank vor deinem Thron,
Herr, schenk sie uns verwandelt wieder in Jesus Christus, deinem Sohn!
Diesen Zeilen entnehmen wir:
- Das Wesen der Eucharistiefeier ist Lobpreis und Dank.
- Der Dank richtet sich an den Vater.
- Es ist der Dank für ein Geschenk, deshalb werden wir den Begriff “Opfer“ häufig durch „Geschenk“ ersetzen. (A 1)
- Das Geschenk ist der Sohn und sein Opfer:
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. (Joh 3,16)
In dem Wort „dahingab“ ist das Opfer angedeutet, in den Worten „So sehr hat Gott die Welt geliebt“ wird deutlich, dass das Kreuzesopfer das höchste Zeichen der Liebe Gottes ist. Das ist die Leitlinie der folgenden Kapitel:
Der Vater schenkt uns seinen Sohn, und der Sohn schenkt sich uns bis in den Tod.
3. Gliederung
Aus diesen Voraussetzungen ergibt sich folgende Gliederung:
Kapitel 18
- Brot und Wein, unsere Gaben, sind bereits Gottes Geschenk.
- Sie sind kein eigenständiges Opfer, sondern nur Voraussetzung für das Opfer Christi.
- Sie sind Zeichen unseres Dankes und als Antwort Zeichen auch unserer Hingabe.
- Unsere Hingabe ist unvollkommen, Christus muss sie vollkommen machen.
Kapitel 19
Das „alte“ Opfer
- Die Unvollkommenheit des alttestamentlichen Tieropfers
- Die alttestamentliche Opferkritik
Kapitel 20
Das „neue“ Opfer:
Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.
- Jesus hat sein Leben für uns hingegeben. Was „Hingabe des Lebens für die anderen“ bedeutet, soll deutlich werden am Beispiel der Lebenshingabe Damian de Veusters in der Nachfolge Christi (A 2)
- Was „Auferstehung von den Toten“ bedeutet, soll deutlich werden durch die Betrachtung eines Romanischen Triumphkreuzes
- Schließlich geht es um den Unterschied zwischen dem Lebensopfer Damian de Veusters und dem Lebensopfer Jesu in seiner universalen Heilsbedeutung.
Anmerkungen
(A 1) „Opfer“ und „Geschenk“ sind nicht deckungsgleich, aber das Geschenk ist doch ein ganz wesentliches Element des Opfers. Mit den Begriffen „Dank“ und „Geschenk“ entgehen wir der schaurigen Verzerrung des Opferbegriffs, als müsse ein zorniger Gott durch das Lebensopfer seines Sohnes besänftigt werden. Wie hätte die Stimme des Vaters bei der Taufe Jesu sonst sagen können: Dies ist mein geliebter Sohn? Wie hätte Jesus am Kreuz vertrauensvoll beten können: Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist? Das zentrale Wort des Evangelisten Johannes darf man deshalb vielleicht so wiedergeben: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn (schweren Herzens) dahingab... (Joh 3,16)
(A 2) Die Kenntnis der Leidensgeschichte Jesu wird hier vorausgesetzt.
Quellen
(Q 1) M. Kunzler I, S. 76