Der Herodianische Tempel

Anlage 19.a

 

Foto 1: Der heutige Zustand des Tempelplatzes (A 1)

Das gesamte Areal des Tempels hatte eine Ausdehnung von 440 m x 380 m, das entspricht etwa 19 Fußballfeldern. Es soll 400.000 Pilgern Platz geboten haben.

Im Jahr 70 n.Chr. wurde der Tempel infolge des jüdischen Aufstandes von den Römern bis auf den letzten Stein zerstört.

 

Foto 2: Modell des herodianischen Tempels (A 2)

Wir gehen bei der Erklärung des Modells aus von der oberen rechten Ecke:

 

Die Burg Antonia

war ein massives Gebäude mit vier Ecktürmen. Herodes der Große hatte sie als Palastburg ausbauen lassen. Zur Zeit Jesu diente sie u.a. einer Kohorte der römischen Besatzungsmacht als Kaserne. Nach der Tradition stand Jesus hier vor Pilatus.

Sie lag auf dem höchsten Punkt des Tempelbergs, von ihren Türmen aus konnte man die ganze Stadt und vor allem den Tempelbezirk überwachen. Das war für die Besatzungsmacht wichtig, denn eine Rebellion ging am ehesten von diesem Gelände aus.

Die Burg wurde beim Jüdischen Aufstand 70 n.Chr. vom römischen Feldherrn Titus dem Erdboden gleich gemacht.

 

Der Tempel

Bauzeit: 20 vor bis 64 nach Christus; kaum war er vollendet, brannte er bei der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes durch Titus im Jahre 70 nach Chr. völlig nieder.

 

Die Säulenhallen

  1. Die Halle Salomons
    Sie befindet sich auf dem Foto im Vordergrund, wir schauen auf das Dach, deswegen sind die Säulen nicht sichtbar. Die Halle war etwa 25 m breit. Dort lehrten die Schriftgelehrten, und hier hat wohl der 12jährige Jesus zu ihren Füßen gesessen. Und später hat er hier die Lehrgespräche mit seinen Jüngern und den Besuchern des Tempels geführt.
  2. Die Westhalle
    Es ist die Säulenhalle gegenüber, auf welche der Blick fällt.
    Vermutlich entlang dieser Halle (andere Quellen behaupten: vor der Königlichen Halle) wurden von den Händlern und Herdenbesitzern die Opfertiere angeboten: Tauben, Schafe und Ziegen. Eine noch größere Auswahl an vierbeinigen Tieren gab es in den Viehhallen am Ölberg, die von der hohenpriesterlichen Familie betrieben wurden („Annashallen“). Vor der Westhalle standen auch die Tische der Wechsler, und dort muss man sich die Tempelreinigung vorstellen sowie die morgendliche zweite Sitzung des Hohen Rates, in der Jesus zum Tode verurteilt wurde.
    Wer kaufte die Tiere? z.B. Israeliten, die aus persönlichen Gründen ein Opfer darbringen lassen wollten, sei es in familiären Nöten, z.B. Krankheiten, sei es zum Dank, z.B. für Heilung.

     

    Die Stützmauer bzw. Klagemauer

    (s. Brandopferaltar und Stützmauer (unten), Foto 3: Die Stützmauer heute: Die Klagemauer, Die Stützmauer in der Antike: Foto 2, zweites Bild Nr. 5)

    Die Außenmauer unter der Westhalle ist der einzige Bauteil des Tempels, der erhalten ist: die Klagemauer. Der Grund, warum Titus sie nicht zerstört hat, ist einfach:

    Mit Herodes, dem Idumäer, wurde ein Nichtjude König der Juden. Er wurde deshalb  von den Israeliten abgelehnt. Um sich bei ihnen beliebt zu machen, begann er im Jahre 20 v.Chr. mit der Erweiterung des Tempels.

    Das Areal auf dem Tempelberg reichte aber nicht für die neuen gewaltigen Dimensionen. Deshalb ließ er einen Teil der Senke an der Südseite auffüllen, wodurch eine Stützmauer notwendig wurde. Da sie das gesamte Füllmaterial halten musste, wurde sie in massivster Bauweise ausgeführt.

    Ein Teil dieser massiven Mauer ist die heutige Klagemauer.

  3. Die Südseite: Die Königliche Halle

    Auf dem Foto links liegt die prächtigste Halle, dreischiffig, etwa 45 m breit. Das Hallendach war aus Zedernholz und wurde von 162 Säulen getragen, deren jede einen Umfang von 8 m gehabt haben soll: Es brauchte drei Männer, um sie zu umfassen.

    Hier versammelten sich die religiösen Gruppen der Juden (Pharisäer, Sadduzäer, Nasiräer, Hellenisten).

    Die Südostecke der Mauer, also auf Foto 2 links unten im Bild, hieß die „Zinne des Tempels“. Hier ist die zweite Versuchung Jesu durch den Teufel zu lokalisiert. (Mt 4,5)

 

Die Vorhöfe

  1. Der Vorhof der Heiden
    ist die gewaltige Fläche, die von den Säulenhallen umschlossen wird. Im Bild nicht sichtbar ist die niedrige Mauer, welche den Vorhof der Heiden gegen die eigentliche Tempelinsel hin abgrenzte. An dieser Mauer waren Schilder angebracht, von denen die Archäologen zwei aufgefunden haben. Die Inschrift lautete: „Kein Fremder darf diesen Bezirk betreten! Zuwiderhandelnde werden mit dem Tod bestraft.“  (Foto 4: Der innere Bezirk)
  2. Der Vorhof der Frauen
    wird durch das im Modell golden schimmernde Tor erreicht
    Vor diesem Tor saß der Lahmgeborene, den Petrus heilte, als er zum Nachmittagsgebet in den Tempel ging (Apg 3,1-10).
    In den Vorhof der Frauen durften nur Israeliten eintreten, Frauen und Männer. Hier standen die dreizehn (15?) Opferbüchsen. Sie hatten die Form einer Posaune mit engem Hals und dienten der Finanzierung der für die Tieropfer notwendigen Materialien: Holz, Weihrauch, Gold für die Opferschalen etc.
    In diesem Hof beobachtete Jesus die arme Witwe.
    Unser Kind liest den Abschnitt vor: Mk 12,41-44
  3. Der Vorhof der Israeliten,
    den wir über die halbkreisförmige Stufen, die zum Torbau des Nikánor-Tores mit seinen angeblichen 5m hohen Torflügeln hinauf führen, erreichen, war den männlichen Juden vorbehalten.
    Unser Kind liest das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner vor: Lk 18.9-14.
    Den Pharisäer müssen wir uns hier im Vorhof der Israeliten vorstellen, während der Zöllner „von ferne stehen blieb“, d.h. er blieb im Vorhof der Heiden.
  4. Der Vorhof der Priester.
    wurde durch eine niedrige Balustrade (im Bild nicht sichtbar) vom Vorhof der Israeliten getennt.
    Im Vorhof der Priester stand der Brandopferaltar, Brandopferaltar und Stützmauer (oben: Der Brandopferaltar)
    Der Brandopferaltar war ein gewaltiges Bauwerk: 4 m hoch und jeweils 15 m breit und lang.
    Vorschlag: Damit unser Kind eine Vorstellung von den Ausmaßen bekommt, kann es jetzt mit einem Zollstock die Länge und Höhe des Zimmers messen, in dem wir uns gerade befinden.
    Am Brandopferaltar wurden die Opfertiere getötet und auf der Rampe auf die Plattform geschleift. Opfertiere waren Stiere, Böcke und Lämmer. Die Opfer wurden morgens und abends dargebracht.
    Der Brandopferaltar stand vor, nicht im Tempel wegen des ständig aufsteigenden Rauches vom Brand der Opfertiere.

 

Das Tempelhaus

war 50 m hoch und stand auf dem Heiligen Felsen, auf dem nach der Tradition Abraham seinen Sohn Issak opfern sollte. Aus demselben Grund ist der Felsen auch den Muslimen heilig, deshalb haben sie über ihm im Jahre 1193 den Felsendom = Omar-Moschee erbaut.

Nur Priester durften das Tempelhaus betreten, und auch sie nur, um ihren Dienst zu versehen, z.B. die Asche auf dem Räucheraltar zu entfernen und neuen Weihrauch aufzulegen.

Wenn es in der Bibel heißt: „Sie gingen zum Tempel hinauf“, ist also nicht das Tempelgebäude gemeint, sondern die Vorhöfe.

Das Tempelhaus war weiß und mit Goldplatten belegt, deren Widerschein bei Sonne das Auge blendete.

 

Streit um den Tempelberg

Der Tempelberg ist im Besitz der Muslime. Sie nennen ihn „Haram asch Scharif“ – das Edle Heiligtum.

Radikale Muslime behaupten, es habe dort nie einen Tempel gegeben. Archäologen fürchten, dass im Zuge der Bauarbeiten im Tempelberg für eine unterirdische Moschee wertvolle Beweise für die jüdischen Vergangenheit beseitigt werden.

Nationalreligiöse Israelis dagegen wollen den Heiligen Berg zurückerobern und dort einen neuen Tempel erbauen. (Q 1)

 

Fragen

  1. Welcher Unterschied besteht zwischen den beiden folgenden Aussagen:
    • Wir gehen in die Kirche.
    • Maria und Josef gingen in den Tempel?
    Wenn wir sagen: Wir gehen in die Kirche, meinen wir: Wir gehen in die Kirche hinein.
    Wenn wir sagen: Maria und Josef gingen in den Tempel, meinen wir: Maria und Josef gingen in den Vorhof der Frauen.)
  2. Wer nur durfte in das Tempelgebäude hineingehen? (nur die Priester)
  3. Wo warf die arme Witwe ihr Geldstück ein? (im Vorhof der Frauen)
  4. Wo betete der Pharisäer und wo der Zöllner? (Pharisäer: im Vorhof der Männer, Zöllner: im Vorhof der Heiden)
  5. Wo wurden die Tiere geopfert? auf dem Brandopferaltar im Vorhof er Priester)

 

Anmerkungen

(A 1) Das Modell der gesamten antiken Stadt Jerusalem ist in eindrucksvollen Fotos dargestellt, die man bei Google findet

(A 2) Archäologen halten die Rekonstruktion für problematisch, weil viele Fragen ungeklärt sind. Dennoch ist dieses Modell für die Anschauung hilfreich.

 

Anregung

Den inneren Bezirk (Foto 3) kann man dreidimensional nachbauen. Der Bastelbogen ist beim Aue-Verlag in Möckmühl erhältlich (z.Zt. 0,95 €).

 

Quellen

(Q 1) dradio.de sowie Wikipedia

 

Literatur

1. H. A. Mertens, Handbuch der Bibelkunde, Patmos 1966, S. 318ff

2. Grundriss des Herodianischen Tempels mit Erklärungen

3. Google