Damian de Veuster - Hingabe für andere

Rollenspiel (Q 3)

Anlage 20.a

 

Einführung: Kurzbiographie

Vor mehr als 100 Jahren verbreitete sich die Lepra auf Hawaii so bedrohlich, dass sie den Bestand des Volkes gefährdete. Zu dieser Zeit war der Aussatz noch eine unheilbare  Krankheit. Die Feststellung des Arztes: „Sie haben Lepra!“ war ein Todesurteil. Für die Gesunden gab es nur eine Möglichkeit, die Ansteckungsgefahr zu bannen: die Aussonderung aus der Gemeinschaft. Das ist der Sinn des Wortes „Aussatz“: aus-setzen.

Für die Betroffenen bedeutete diese Regelung eine Katastrophe. Sie wurden nicht nur von einer der entsetzlichsten Krankheiten gequält, die unerbittlich ihren Körper und Geist entstellte, sondern auch gewaltsam aus dem Kreis ihrer Familien gerissen.

Das Schlimmste aber war, dass sie auf der Insel Molokai völlig sich selbst überlassen wurden. Es lohnte sich nicht mehr, etwas für sie zu tun, sie waren ja sowieso dem Tod geweiht. So dachten die Verantwortlichen in der Regierung von Hawaii.

Die Einsamkeit und die seelische Not veranlassten die Aussätzigen, den Bischof von Honolulu zu bitten, ihnen einen Priester zu schicken. Der Bischof zögerte: Die Entsendung bedeutete mit hoher Wahrscheinlichkeit Ansteckung, Erkrankung und qualvollen Tod. Das konnte er keinem seiner Missionare befehlen, er konnte sie nur bitten.

Im Jahr 1873 trug er seinen Missionaren die Bitte der Aussätzigen vor. Spontan meldeten sich vier junge Priester. Man vereinbarte, dass sie sich abwechseln sollten. Pater Damian ging als erster, aber nachdem er die Aussätzigen kennen gelernt hatte, entschied er sich, für immer zu bleiben.

16 Jahre setzte er sich selbstlos für sie ein. In seinen Predigten nannte er sich von Anfang an selbst einen Aussätzigen. Er sagte nicht: „Ihr“, sondern „Wir Aussätzigen“.

12 Jahre nach seiner Übersiedlung nach Molokai wurde dieses Wort wahr. Vier Jahre quälte die Lepra Leib und Seele, aber Damian arbeitete weiter, so hart, wie es ihm seine Kräfte erlaubten. Damian hatte bis dahin eine robuste Gesundheit und hätte sehr alt werden können.  Er starb aber bereits im Alter von 49 Jahren.

In unserem Rollenspiel berichtet der englische Maler und Schriftsteller Edward Clifford von seinem Besuch in Molokai im Jahr 1888, ein Jahr vor dem Tod Pater Damians. (A 1)

Personen:

  • E:  Edward Clifford, Maler und Schriftsteller (hat den größten Teil des Textes zu sprechen)
  • C:  Hugh B. Chapman, Priester der anglikanischen Kirche St. Lukas in London

1

C

Edward, ich bewundere Ihren Mut!

2

E

Ach was, mein Mut ist winzig, verglichen mit dem von Pater Damian.

3

C

Ja, aber trotzdem, Sie hätten sich doch leicht anstecken können!

4

E

Unsinn, ich habe alle Vorsichtsmaßnahmen befolgt. Der Einzige, dem ich die Hand gegeben habe, war P. Damian. Und ich habe ausschließlich Kekse und frisches Obst gegessen.

5

C

Aber Pater Damian war zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren aussätzig!

6

E

Nun gut. Sie hätten diesen Mann erleben müssen, dann hätten Sie alle Angst verloren.

7

C

Was hat Sie denn am meisten an ihm beeindruckt?

8

E

Am meisten? Schwer zu sagen. Was als Erstes ins Auge fiel, war, dass er eine Hölle in ein Paradies verwandelt hat. Pater Damian hat mir Fotos gezeigt, wie es in Kalaupapa aussah, als er dorthin kam. Sie glauben es nicht:

Die Aussätzigen lebten in primitiven Grashütten, es gab keinerlei medizinische Versorgung, keinen Arzt, keine Medikamente. Sie waren abgeschoben und konnten nicht einmal Post empfangen. Wenn sie mit dem Schiff ankamen, wurden sie bisweilen einfach ins Meer geworfen, weil die Schiffe wegen der Felsen nicht landen konnten. Man machte sich nicht die Mühe, sie in Booten an Land zu bringen, sie konnten ruhig ertrinken, sie waren ja sowieso dem Tod geweiht.

9

C

Und das hat die Regierung von Hawaii zugelassen?

10

E

Ich weiß nicht, ob von der Regierung jemals einer die Aussätzigen besucht hat. Der König hatte sich mal angekündigt, aber letzten Endes hat er es doch nicht gewagt. Man war einfach froh, eine Lösung für das Problem gefunden zu haben.

 

Aber zurück zu P. Damian. Sie sollten mal sehen, wie Kalaupapa jetzt aussieht!

Jetzt stehen da solide Holzhäuser, Damian hat ein Krankenhaus und eine Apotheke erbaut, auf den Äckern und Gärten blüht es. Es gab nichts, was Pater Damian nicht konnte. Er kannte sich aus in 36 Handwerken. (Q 1)

Vor allem aber hat er den Menschen ihre Würde zurückgegeben. Er umarmte sie, er aß mit ihnen. Er gab ihnen Arbeit, und sie waren glücklich, weil sie feststellten, wie viel sie noch leisten konnten. Er hat sie motiviert, mit ihm zusammen eine kleine Kirche zu bauen, und in den Heiligen Messen, die er täglich mit ihnen feierte, gab er ihnen Mut und Hoffnung. Er war einfach großartig.

11

C

Das klingt alles ganz phantastisch. Aber es gab doch bestimmt auch Rückschläge, Enttäuschungen, Misserfolge?

12

E

Oh ja, und nicht zu knapp. Der schwerste Augenblick für ihn war wohl der Tag. als die Regierung von Hawaii ihm verbot, die Insel jemals wieder zu verlassen.

13

C

Das verstehe ich nicht. Er hatte sich doch sowieso entschieden, für immer in Molokai zu bleiben.

14

E

Ja, das schon. Aber bedenken Sie: In den ersten Jahren hat er die Insel regelmäßig verlassen, um in der Hauptstadt alles Nötige zu besorgen: Medikamente, Lebensmittel, Küchengeräte, Bauholz, Werkzeug, Nägel und und und. Es fehlte doch an allem.

15

C

Wie viele Aussätzige leben denn eigentlich dort?

16

E

Als Damian ankam, waren es etwa 600. Später waren es über 1000.

17

C

Und das hat er alleine geschafft, für 1000 Kranke und Sterbende zu sorgen?

18

E

Am Anfang war er allein, aber später kam ein Geistlicher hinzu und weitere freiwillige Helfer. Die größte Freude war es für ihn, als sechs Jahre vor seinem Tod Franziskanerinnen auf Molokai ein kleines Kloster errichteten. Sie sind heute noch dort. Ihre Oberin, Schwester Marianne Koob (englisch: Cope), ist in Deutschland geboren, ihre Eltern waren nach Amerika ausgewandert. (A 2) Sie will genau wie Damian ihr ganzes Leben auf der Insel bleiben. Vor ihr hatte Damian bei 50 Ordensgemeinschaften angefragt, aber alle hatten abgelehnt, weil ihnen das Risiko zu groß war.

19

C

Gibt es denn eigentlich niemanden, der von der Insel flieht? Sie leben doch wie in einem Gefängnis.

 

20

E

Flucht ist unmöglich. Kalaupapa ist eine Halbinsel, die vom Rest der Insel durch ein unübersteigbares Gebirge abgetrennt ist. Die Felsen begrenzen die Ebene wie eine Wand, sie sind über 600 m hoch, die höchsten Klippen der Welt. Ein einziger Eselspfad führt in den anderen Teil der Insel, aber er ist so strapaziös, dass es bisher nur ganz wenigen Kranken gelungen ist, das Gebirge zu übersteigen. Und kaum waren sie dort, wurden sie von der Lepra-Polizei aufgegriffen  und zurückgebracht.

21

C

Lepra-Polizei???

22

E

Ja natürlich. Agenten der Regierung durchstreifen regelmäßig das Land und bringen ohne Gnade alle nach Molokai, die Anzeichen von Lepra haben.

23

C

Weiß man eigentlich, bei welcher Gelegenheit Pater Damian sich angesteckt hat?

24

E

Damian glaubt es zu wissen. Zwölf Jahre lang hat er sich nicht angesteckt, obwohl er die eitrigen Wunden der Leprakranken gewaschen und mit ihnen gegessen und getrunken hat. Aber vor vier Jahren, als er von einem Krankenbesuch nach Hause kam und sich seine Pfeife anzündete, kamen drei Jungen aus ihrem Versteck und beichteten ihm, dass sie mit seiner Pfeife Tabak geraucht hätten. Damian wusste, was das bedeutete, aber es war zu spät. Die Jungen weinten bitterlich, als sie erkannten, was sie getan hatten. Da taten sie ihm Leid, und er sagte ihnen, es wäre nicht so schlimm, aber sie sollten es nie wieder tun.

25

C

Welches Erlebnis war Ihr stärkstes?

26

E

Einige meiner glücklichsten Augenblicke in Molokai habe ich auf dem Balkon von Pater Damians Häuschen verbracht, wo ich ihn malte und ihm zuhörte. (Q 2) Aber unvergesslich ist mir auch das Weihnachtsfest in der Kirche von Molokai, als die Aussätzigen das „Adeste fideles“ sangen („Nun freut euch, ihr Christen“). Sie glauben es nicht: Diese Menschen machten einen frohen und glücklichen Eindruck.

27

C

Vor drei Monaten ist Pater Damian gestorben. Wissen Sie etwas über seine letzten Tage und Stunden?

28

E

Ja, Dr. Swift hat es mir erzählt. Sein Zustand wechselte. Er hatte gute, aber auch sehr böse Tage. Die Lepra löste zeitweilig schwere Depressionen bei ihm aus, er glaubte, er sei für immer verloren. Er weigerte sich, Medizin zu nehmen, aber die Heilige Eucharistie empfing er mit großer Andacht. Schon Jahre vorher hatte er mir geschrieben: „Ohne die beständige Gegenwart unseres göttlichen Meisters auf dem Altar in meiner armen Kapelle hätte ich niemals bei den Aussätzigen auf Molokai durchhalten können.“

Einmal habe ich ihn allein in der Kapelle angetroffen. Er bemerkte mich nicht, denn er war tief im Gebet versunken. Er kniete vor dem Allerheiligsten, und ich hörte ihn flüstern. Was er sagte, konnte ich nicht verstehen, aber es war offensichtlich, dass er mit Christus sprach, so wie wir jetzt.

29

C

Was werden Sie nun tun, nachdem Pater Damian tot ist?

30

E

Nächstes Jahr werde ich ein Buch über ihn veröffentlichen. Und ich werde weiter Geld  sammeln, denn die Franziskanerinnen und seine Mitbrüder setzen ja sein Werk fort. Wie wäre es, wenn Sie auch eine Spende dazutäten?

Wir schauen uns nun das Porträt von P. Damian an, das Edward Clifford gemalt hat.

Fragen zum Rollenspiel:

  1.  „Aus-satz“ kommt von „aussetzen“. Was bedeutet „aussetzen“?
  2. Warum wurden die Kranken ausgesetzt?
  3. Was bedeutete das für die Kranken und ihre Familien?
  4. Warum hat sich Pater Damian entschieden, bei den Aussätzigen zu bleiben, obwohl er wusste, dass es seinen Tod bedeutete?
  5. Pater Damian war 49 Jahre alt, als er starb. Warum starb er so früh?
  6. Wie lange dauerte seine Krankheit?

 

Anmerkungen

(A 1) Das Gespräch zwischen Chapman und Clifford ist erfunden, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass sie sich kannten, da sich beide für das Werk von Pater Damian tatkräftig einsetzten.
 

Quellen

(Q 1) Biographie des Deutschen Aussätzigen-Hilfswerkes

(Q 2) Gavan Daws, Damian de Veuster, Herder 1988, S. 173

(Q 3) nach W. Hünermann, Priester der Verbannten, Heidelberg 1960