Interview mit André Frossárd

Gott existiert. Ich bin ihm begegnet.

Anlage 24.a

 

Personen:

J = Journalist – die Rolle für unser Kind

F = André Frossard

J

Herr Frossárd, Sie haben kürzlich ein Buch veröffentlicht, das großes Aufsehen erregt hat.

Brauchte es nicht einigen Mut, in dieser Weise an die Öffentlichkeit zu treten? Schließlich sind Sie einer der bekanntesten Journalisten Frankreichs und schreiben für eine der angesehensten Zeitungen unseres Landes.

F

Ich war mir des Risikos bewusst, aber ich fühlte mich verpflichtet.

J

Herr Frossárd, Ihr Buch ist bereits zum Bestseller geworden. Als Titel haben Sie gewählt: „Gott existiert. Ich bin ihm begegnet.“ Könnten Sie uns zu Beginn diese Gottesbegegnung noch einmal kurz schildern?

F

Nun, genau das kann ich nicht. Wenn man Gott begegnet, versagen alle Worte. Das muss ich vorausschicken. Aber ich will es dennoch versuchen.

Vielleicht kann man es so formulieren: Ich bin für wenige Minuten in eine andere Welt eingetaucht, oder besser gesagt: Die andere Welt brach in diese herein.

J

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie etwas gesehen haben.

F

Ja, ich habe etwas gesehen, was mich von Grund auf verwandelt hat.

J

Und was war das? Sie befanden sich in einer Kirche, ist das richtig?

F

Das ist richtig, in einer Klosterkirche mitten in Paris.

Ein Freund hatte mich zum Essen eingeladen, wir waren auf dem Weg zum Restaurant.

J

Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche! Sie waren zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt?

F

20!

Unterwegs machte mein Freund einen Zwischenhalt in einer Nebenstraße in der Nähe des Pantheon. Er verschwand in einer kleinen Tür, daneben war ein großes eisernes Tor. Was er dort zu tun hatte, sagte er nicht, jedenfalls wollte er nach ein paar Minuten zurück sein.

Als etwa fünf Minuten vergangen waren, wurde es mir langweilig. Ich stieg aus, um zu sehen, wo er geblieben war, trat ebenfalls durch die kleine Tür ein und gelangte in eine Kapelle.

J

Und was sahen Sie?

F

Zunächst musste ich mich etwas zurechtfinden, im hinteren Teil der Kirche war es

ziemlich dunkel, oder besser: es herrschte ein mystisches

Halbdunkel. Im mittleren Teil des Kirchenschiffs knieten einige Schwestern,

erkennbar an ihren schwarzen Schleiern. Sie beteten im Wechsel in einem seltsamen Singsang. Heute weiß ich, dass dieser Orden sich die Anbetung des Allerheiligsten zum Ziel gesetzt hatte.

Der vordere Teil der Kirche war hell erleuchtet. Auf dem ganz in Weiß gehaltenen Altar brannten zwei Reihen von Kerzen, über ihnen befand sich ein reich verziertes goldenes Gefäß mit einer kleinen weißen Scheibe in der Mitte.

J

Wussten Sie, was das war?

F

Natürlich nicht. Dass es sich um eine Monstranz handelte (Foto) und bei der weißen Scheibe um den Leib Christi, das alles habe ich erst später erfahren, von dem Priester, der mich nach meiner Bekehrung in den katholischen Glauben einführte.

J

Sie kannten das alles nicht, weil Sie Atheist waren?

F

Eigentlich war ich kein Atheist, jedenfalls nicht im Sinne eines entschiedenen Gottesleugners. Religion und Gott waren mir einfach absolut egal, sie waren kein Thema für mich, Überbleibsel einer vergangenen Welt.

J

Drei Viertel Ihres Buches verwenden Sie auf die Beschreibung ihrer Kindheit und Jugend. Ist das nicht ein bisschen zu lang?

F

Nein, das war unbedingt notwendig. Ich wollte unmissverständlich deutlich machen, dass die Gottesbegegnung sich nicht durch mein bisheriges Leben erklären lässt. Das Thema Religion hat in meiner Familie nie eine Rolle gespielt. Wie Sie wissen, war mein Vater Mitbegründer der Kommunistischen Partei Frankreichs und zeitweilig Minister der Linksregierung.

J

Sie haben die Kirche geschildert, in der Ihre Gottesbegegnung stattfand, aber Sie haben die Begegnung selbst noch nicht geschildert.

F

Sie haben Recht, also gut, ich will es versuchen.

Mein Blick war, wie gesagt, auf den Altar gerichtet. Da schoss plötzlich mit einer unbeschreiblichen Gewalt ein Lichtstrom auf mich zu. Er ähnelte einem blauen Kristall von unendlicher Durchsichtigkeit und war so hell, so unbeschreiblich hell - ein Grad mehr hätte mich vernichtet.

J

Haben Sie eine Gestalt gesehen?

F

Nein, es war nur dieses Licht. Aber was heißt „nur“? In diesem Licht stürzte der Himmel auf mich zu, ich tat einen Blick in eine Welt, von deren Existenz ich nichts geahnt hatte.

J

Kann man es vielleicht mit der Vision vergleichen, die der Apostel Paulus vor Damaskus hatte?

F

Ich hätte es nicht gewagt, diesen Vergleich zu ziehen, aber wenn Sie es sagen – ich glaube schon.

J

Paulus war danach drei Tage blind.

F

Ja, aber gleichzeitig wurde er sehend.

J

Wie meinen Sie das?

F

Er erkannte, dass sein ganzes bisheriges Leben falsch war.

J

Sie meinen, weil er die Christen verfolgt hatte?

F

Er drang mit der Polizei in ihre Häuser ein, riss Familien auseinander, ließ Männer, Frauen und Kinder verhaften und in den Kerker werfen – absolut unschuldige Menschen. Und die Kerker waren damals nicht so komfortabel wie heute, das waren Rattenlöcher.

Und nun erschien ihm Christus und sagte nicht: „Saul, Saul, warum verfolgst du die Christen?“ sondern: „Warum verfolgst du mich!“ Das war ein Schock für ihn, das verwandelte ihn.

J

Zu Paulus hat Christus gesprochen. Hat er auch zu Ihnen gesprochen?

F

Nicht ausdrücklich, aber zu Beginn der Vision wurden mir die Worte „Geistliches Leben“ eingegeben.

J

Geistliches Leben? Was sagte Ihnen das?

F

Mir wurde blitzartig klar, dass mein bisheriges Leben sich nur in den Niederungen des Geistes aufgehalten hatte. Ich kam  mir vor wie ein Mensch, der im Schlamm gesteckt hatte und nun herausgezogen wurde.

J

Ihre Erfahrung liegt ja nun schon 34 Jahre zurück. Warum haben Sie so lange mit der Veröffentlichung gewartet?

F

Ich wollte mich prüfen, wollte sehen, ob meine Bekehrung echt war. Vor allem, ob sie von Dauer sein würde, oder ob alles nur Einbildung war,

J

Und woher wollen Sie wissen, dass es keine Einbildung war?

F

Eben deshalb, weil meine Erfahrung bis heute  gehalten hat. Sie hat sich durch 34 Jahre bewährt.

J

Sie sagten eben: Die Begegnung mit Christus hat den Apostel Paulus verwandelt. Hat Ihre Christusbegegnung Sie auch verwandelt?

F

Paulus hat als Missionar Zeugnis abgelegt von Jesus Christus. Er hat in der ganzen damals bekannten Welt gepredigt und Gemeinden gegründet.

Auch ich fühle mich verpflichtet, Zeugnis abzulegen, aber ich bin Journalist, mein Job ist es nicht, als Wanderprediger durch das Land zu ziehen, ich versuche das als Schriftsteller.

Paulus hat viele Menschen zu Christus geführt. Es wäre mir eine große Freude, wenn es Menschen gäbe, die durch meine Bücher zu Christus finden.

J

Dieses Buch ist also nicht Ihr letztes?

F

Ich plane ein Buch über meine Freundschaft mit Papst Johannes Paul II.

J

Herr Frossard, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!

 

Fragen

  1. Zwischen den Visionen des Apostels Paulus und des Journalisten André Frossárd liegen 2000 Jahre, und doch ähneln sie sich. Was ist gleich?
  2. Beide wurden durch die Vision verwandelt. Was hatte Paulus vorher getan, was tat er nachher?
  3. Wie war André Frossárds Einstellung zu Glaube und Christentum vorher und nachher?
  4. Bei beiden hatte sich also die Wandlung im zweiten Sinn vollzogen. Paulus wurde Missionar, André Frossárd schrieb ein Buch. Warum taten sie das?
  5. Was vollzog sich bei allen Menschen, die auf diese Weise zum Glauben kamen?